Vorwort der Herausgeberin
Der Begriff Übersetzung ruft immer häufiger eine Vorstellung von Ware hervor, die von einem Team von Freiwilligen oder einer Maschine erzeugt wird, wobei die zu behandelnden Texte scheinbar nicht schwieriger zu dekodieren sind als die Ausgangsrealität der ursprünglich zu übersetzenden Welt. Mit einem Knopfdruck verfügbar ist die kostenlose automatische Übersetzung eine passende Metapher für die Welt in der wir leben, deren Tiefenstruktur so schwer und deren Oberflächenstruktur so leicht zu verstehen ist. Als Symbol des Einreissens von sprachlichen und kulturellen Barrieren ist sie Teil der Struktur der virtuellen Kommunikation geworden und ermöglicht einen gewissen Austausch. Von menschlichen Übersetzern wird jedoch ein breiteres Vermittlungsspektrum verlangt, da sie sowohl über semantische Realitäten als auch ein weites Feld an linguistischen, kulturellen, ethischen, innlichen und biologischen Erfahrungen kommunizieren. Übersetzer müssen akzeptieren, so Douglas Robinson, dass Cyborgs schneller und genauer übersetzen und redigieren können als Menschen. Auch versuchen sie stets, die Grenzen der Kommunikation über die interlingualen und sogar interkulturellen Grenzen hinaus zu erweitern indem sie versuchen, schwierige moralische, körperliche, emotionale und intellektuelle Realitäten zu verstehen.
Übersetzung vermittelt die Vielfältigkeit der Bedeutung, die das Leben bietet, und die vorliegende Ausgabe zeigt das breite Spektrum seiner Natur ebenso wie die Vielfältigkeit seiner Prozesse und Systeme. Die Hauptthemen dieser Ausgabe sind Web-Lokalisation (Miguel Jimenez-Crespo), audiovisuelle Übersetzung (Irene Ranzato, Agnieszka Szarkowska, Anna Corral und Ramon Llado) und die Übersetzung von juristischen Texten (Carmen Bestue Salinas, Mariana Orozco Jutoran, Fernando Prieto Ramos und Anna Kizinska). Die vielfältigen Aufgaben, die vor und nach der Übersetzung notwendig sind, um eine erfolgreiche Kommunikation zu gewährleisten, werden jedoch ebenfalls hervorgehoben: Insbesonere interkulturelles und ethisches Bewusstsein (Panagiotis Sakellariou und Julie McDonough Dolmaya), Koedition (Fabio Regattin), Evaluation (Thomas Conde) und Revision. (Kirsten Wolch Rasmussen und Anne Schjoldager). Es handelt sich ausserdem um eine multilinguale und multikulturelle Ausgabe mit Artikeln in englischer, italienischer und spanischer Sprache aus Kanada, Dänemark, Griechenland, Italien, Polen, Spanien und den USA.
Die Artikel in dieser Ausgabe zeigen die umfangreiche und gegensätzliche Spannweite an Kompetenz und Sensibilität die Übersetzer brauchen, um Wissen und Systeme zu erklären. In ihrem Interview über ihre Erfahrungen als Koordinatorin bei Discovery Communications zeigt Joanna Mal die Bandbreite des interligustischen und interkulturellen Austauschs indem sie sagt, dass im Jahr 2009 ungefähr 31 000 Programmstunden für die verschiedenen Kanäle dieses Medienkonglomorates übersetzt wurden. Wir können uns die Welt ohne diese Chancenvielfalt nicht mehr vorstellen und sollten nicht vergessen, dass wir sie der Übersetzung in ihrer Vielgestaltigkeit verdanken.
Lucile Desblache (trans. Liselotte Brodbeck)